Evolution statt Revolution

Nachdem der Staub sich rund um die alljährlichen Ankündigungsreigen der Redmonder Software-Schmiede zu legen beginnt, ist es Zeit ein erstes Fazit zu ziehen. Was bringt uns die Zukunft bzw. was stellt sich Microsoft darunter vor?

Wenn man es ganz nüchtern betrachtet, bleibt eigentlich nur ein Windows Update für 8.1, ein Phone Update von 8 auf 8.1 und eine Reihe von Detail-Änderungen übrig. Daneben noch die faktisch folgenlose Veröffentlichung des Quellcodes einiger neuer Bibliotheken, heute Open Source genannt.

Wer eine Dekade zurückblickt, wird sich erinnern, dass die TechEd Developer sich mit aktuellen und ganz nahen Technologien beschäftigte und die PDC, die Vorgängerin der BUILD, mit den über die nächsten ca. 18 Monaten kommenden. Die BUILD 2014 präsentierte am 2.April ein kleines Windows Update, das am 8.April öffentlich verfügbar sein wird. So ist die Welt heute. Gerade mal eine Woche Zukunft. Roadmaps konnte man in den Slides keine entdecken.

Vor rund fünf Jahren war Windows Mobile 6.5 angesagt. Mit einem kolportierten Marktanteil von ca. 19%. Allerdings war Apple unaufhaltsam auf dem Vormarsch und so entschlossen sich die Redmonder zu einem radikalen Schnitt: es den Jungs aus Cupertino gleich zu tun.

Ich erinnere mich noch gut an ein frühes Meeting bei Microsoft. Ein Kreis erlauchter externer Experten, eine Handvoll Microsofties und meine Wenigkeit. Das Produkt, das da vorgestellt wurde, hatte alle Nachteile von Apple gewonnen und die Vorteile von Microsoft verloren. Ich werde heute noch auf meine unbarmherzige Kritik angesprochen. Und ich habe mit jedem Strich und Punkt Recht behalten. Meine damaligen Vorschläge werden jetzt umgesetzt. Der Marktanteil dümpelt heute noch unterhalb des damaligen Windows Mobile rum. Dennoch hatte auch Microsoft Recht. Es musste ein harter Kurswechsel her. Windows Mobile hatte kein Marktpotential für die Zukunft.

Rund zweieinhalb Jahre später, auf der ersten BUILD, wurde dann Windows 8 angekündigt. Ich war persönlich in Anaheim dabei und habe mich von der Begeisterung anstecken lassen. In einem persönlichen Dialog mit einem Produktmanager wurde die Problematik des Rollouts angesprochen. Er war überzeugt, dass der Appstore-Zwang von den Kunden angenommen wird. Ich nicht. Ein anderer wichtiger Produktmanager war überzeugt, dass bald ohnehin nur mehr touchfähige Devices ausgeliefert werden. Ein folgenschwerer Irrtum, wie sich aus heutiger Sicht zeigt. Der wesentlichste Fehler ist uns und damit meine ich Microsoft und mich, in der  Einschätzung der Verbreitung von Windows 8 und Devices unterlaufen. Meine persönliche Prognose war: 100 Millionen Touch Devices bis 31.Dezember des Erscheinungsjahrs, sonst wird Balmer seinen Hut nehmen müssen. Es waren bei weitem nicht so viele und Balmer ist Geschichte.

Ganz wesentlich ist aber die falsche Consumer-Strategie. Consumerization von IT ist zwar Tatsache, wie auch bei HTML5, aber deren Folgen sind völlig falsch eingeschätzt worden. Die Unternehmen haben keine APPS erstellt. Punkt.

Windows 8 hatte nie ein Qualitätsproblem. Es war schön, modern, einfach zu bedienen. Auf Tablets für den Neueinsteiger völlig intuitiv. Eine Sensation ohne Startbutton. Es sind die über 1 Milliarde Microsoft-Benutzer, die nicht mitspielen. Folgerichtig kann man in den Blogs und Tweets im Tenor lesen, was es eh jeder schon die ganze Zeit sagt: Hört den Kunden zu. Steve Jobs und Steven Sinofsky waren anderer Meinung: Innovation kommt nicht aus Marktforschung.

Ganz anders die Keynotes der BUILD 2014. Wir haben zugehört, hier habt Ihr das Resultat. Auch ein Startmenü gibt es dazu. Und wir nehmen euch euer geliebtes .NET und XAML nicht weg. JavaScript erwähnen wir gar nicht, weil ihr es hasst.

Die Teilnehmer sind begeistert. Twitter quillt über von positiven Feeds: Beste BUILD ever. Vor allem die gemeinsame Codebasis für Phone und Windows wird gelobt. Auch die vereinfachte Sideloading Policy, die faktisch den Store aushebelt, stößt auf Begeisterung.

Die Realität bildet das aber nur zum Teil ab. Weite Teile des Developer Eco Systems beschäftigen sich heute mit HTML5 als Frontend-Technologie. Ich halte diese zwar für grottig, aber vorhanden. Da das Problem mit dem Standard und Browsern systemimmanent ist, erwarte ich keine relevante Besserung. In Angesicht dessen bin ich immer wieder erstaunt, welche großartigen Ergebnisse trotz widriger Umstände erzielt werden.

Diese Community wird auch mit dem Honig Open Source und Nuget kaum kleben bleiben. Das sind die Leute, die nicht auf die BUILD gehen.

Aus dem Applaus und den Besucherzahlen der aufgezeichneten Sessions lassen sich ein paar Trends erkennen. C# und .NET sind weiter top angesagt. Multiplattform-Entwicklung auf dem .NET-Technologiestack wird eindeutig gewünscht und von XAMARIN bedient. Azure ist trotz Scott Guthrie bei weitem nicht das führende Thema.

Schon im Vorfeld hat Microsoft eine Art Office für die Apple-Plattform gelauncht. Ein Eingeständnis der schwindenden Bedeutung von Windows. Dies wird auch mit einem Startmenü nicht besser werden. Die Fokussierung auf das angestammte Publikum, die Vereinheitlichung der Plattform Xbox, Windows und mobile werden helfen, nicht noch weitere Kunden zu vergraulen.

Die nächste Welle wird allerdings woanders an den IT-Strand laufen: das Internet of Things, oft ohne UI, aber damit mit hohem Bedarf an Service-Kommunikation. Davon sah man im BUILD-Programm recht wenig.

Hannes Preishuber besucht seit rund 15 Jahren Microsoft-Konferenzen. Er war Teilnehmer der legendären Hailstorm PDC, deren Visionen und Produkte nie Realität wurden. Auch Projekt Oslo und die Programmiersprache M kennt heute keiner mehr. Obwohl Clippy das selbe Schicksal erleiden musste, war er kein PDC Announcement. 2003 diskutierte er auf der PDC in Los Angeles mit dem noch unbekannten Miguel de Icaza über .net und dessen von Microsoft ungewünschte Implementierung als Mono. Die BUILD Konferenz 2014 besuchte er nur virtuell. Trotz entsprechender Gerüchte nicht wegen des Essens.

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